Einführung
|
Lagerkomplex
und Zwangsarbeit
Mit den ab 1943 steigenden Häftlingszahlen verschlechterten sich die sanitären und hygienischen Bedingungen im Frauenlager zunehmend. Ab Anfang 1944 betrug die Belegung in vielen Häftlingsbaracken das Dreifache, teilweise das Vierfache der ursprünglich vorgesehenen Anzahl. Als die Kapazitäten der Baracken endgültig überschritten waren, ließ die Lagerleitung für die zahlreichen Einlieferungen im Spätsommer/Herbst 1944 zwischen den Blöcken 24 und 26 ein etwa 50m langes Zelt aufstellen. Ohne Decken, auf nur durch eine dünne Strohschicht bedecktem Boden wurden hier bis zu 3 000 Frauen zusammengepfercht, was eine überdurchschnittliche Anzahl von Todesopfern zur Folge hatte. Überdeutlich spiegelte sich die kontinuierliche Verschlechterung der Lebensbedingungen im Frauen-KZ Ravensbrück auch in der Verpflegung der Häftlinge wider, deren Qualität und Quantität immer geringer wurde. Im Jahre 1940 wurde mit dem Aufbau des sogenannten „Industriehofes“ begonnen, der in der Folgezeit ständig erweitert wurde und die SS-eigene Texled beherbergte. Deren Werkstätten setzten sich bis 1945 aus folgenden Abteilungen zusammen: drei Schneidereien, eine Zuschneiderei, ein Lager für Schneiderbedarfsartikel und Stoffe, eine Kürschnerei, eine Reparaturwerkstatt, eine Weberei, eine Strickerei und eine Rohrmattenflechterei. Im September 1942 waren etwa 60 % aller weiblichen Häftlinge (4 000 - 5 000) bei der Texled im Einsatz. In der Landwirtschaft wurden weibliche Häftlinge sowohl in einem SS-Unternehmen, der „Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH“ (DVA), eingesetzt als auch an private landwirtschaftliche Betriebe in der Umgebung „vermietet“.
Ab Mitte
1942 änderte sich der Arbeitseinsatz der Häftlinge entscheidend, als auch
in Ravensbrück damit begonnen wurde, KZ-Häftlinge in der Rüstungsindustrie
zu beschäftigen. Ab August 1942 arbeiteten weibliche Gefangene in Fertigungsstätten
des Elektrokonzerns Siemens & Halske in unmittelbarer Nachbarschaft des
Lagers. Im Dezember 1944, als bereits etwa 2 200 Häftlinge in den 20 Fabrikhallen
beschäftigt waren, wurden zusätzlich sechs Wohnbaracken - das sogenannte
„Siemenslager“ - direkt neben den Werkshallen errichtet. Ab 1943 setzte
sich eine andere Variante durch. Anstatt die Produktionsstätten direkt
neben, oder in die Nähe der Konzentrationslager zu verlagern, begann die
SS damit, zahlreiche Außenlager in der unmittelbaren Nähe von Rüstungsbetrieben
zu errichten. Damit wurde Ravensbrück zum Stammlager und zu einer Drehscheibe
und Durchgangsstation für das schnell wachsende System von Außenlagern
für weibliche KZ-Häftlinge. Anfänglich waren fast alle der auf „reichsdeutschem“
Boden errichteten Außenlager für weibliche Häftlinge dem KZ Ravensbrück
unterstellt. Dies änderte sich mit der Umstrukturierung des Außenlagersystems
im Herbst 1944, als ein Großteil der bislang Ravensbrück unterstellten
Außenlager für weibliche Häftlinge den nächstgelegenen Hauptlagern (hauptsächlich
Buchenwald, Flossenbürg und Sachsenhausen) zugeordnet wurde. Zu den größten
Ravensbrück durchgehend unterstellten Außenlagern gehörten Neubrandenburg
(Mechanische Werkstätten Neubrandenburg, Flugzeugteile), Malchow (Dynamit
AG, Munitionsfabrik) und Barth (Heinkel-Flugzeugwerke).
|